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Erleuchtung für eine triste Ecke
Künstler des Forums für öffentliche Gegenwartskultur geben der Unterführung Schützen- / Ecke Hügelstraëe einen neuen Schein
Von Ninette Krüger
Ungemütlich sind sie, kalt und feucht, dunkel, manchmal auch neonhell beleuchtet. An den Wänden sind Graffiti und aus den Ecken dringt oft Urin-Gestank. Die Rede ist von Fußgängerunterführungen. Denn die sind gemeinhin kein Ort, an dem der gestresste Großstädter gerne verweilt. Anders beim Forum für öffentliche Gegenwartskultur (f.o.g.)
"Interventionen im öffentlichen Raum", betitelt das Forum eine einwöchige Aktion, die am Freitagabend mit einer Vernissage in der Fußgängerunterführung Schützenstraëe / Ecke Hügelstraëe eröffnet wurde. Das Forum setzt sich zusammen aus einer 1995 gegründeten offenen Arbeitsgemeinschaft (osa) von Studenten, Künstlern und Dozenten vom Fachbereich Architektur der Technischen Universität Darmstadt (TUD) und hat sich mit dem Thema Kunst und öffentlicher Raum beschäftigt. Im Mittelpunkt des fachübergreifenden Projekts soll die Verbindung von Theorie, Lehre und künstlerischer Praxis stehen.
"Uns interessieren Orte, die sonst keiner sieht", erzählt Oliver Langbein, Dozent am Fachbereich Architektur. "Normalerweise werden die Schaukästen in der Unterführung kommerziell genutzt, dabei hat der Ort aber unendlich viele andere Gesichter." Diese urbanen Gesichter zu erschließen, hatten sich zwei Künstler zur Aufgabe gemacht.
Zu sehen bekam der Betrachter nicht einmal viel. Die Vitrinen, gewöhnlich mit Werbematerial bestückt, waren ausgeräumt und hell erleuchtet. Verantwortlich dafür war Miriam Steinhauser aus Zürich. Die Künstlerin nannte ihre Aktion "Supply of Something to Something (Light) / Licht für EtwasÓ. "Ich wollte einen massiven Eingriff in den Raum machen", erklärte Steinhauser ihre Licht-Aktion, "für mich war es eine besondere Herausforderung, an einem hässlichen Ort etwas Schönes zu machen." Eine Woche lang bleibt die gewöhnliche Neon-Deckenbeleuchtung in der Fußgängerunterführung aus- und Steinhausers Licht-Kunstwerk eingeschaltet.
Für die Mitglieder des Forums ist die Unterführung ein "Unort", eine leerer Transitraum. Was gewünscht ist, ist klar: Passanten sollen sich umschauen, zum Verweilen angeregt und so vom Raser zum Flaneur werden.
Das vermeintlich Hässliche so gestalten, dass es einladend wirkt, war auch das Ziel von Nasan Tur. Tur, Jahrgang 1974, hat den fahlen Raum unterhalb der Hügelstraëe mit einer "Temporären Installation" bestückt. "Die Passanten sehen eine stinknormale Pfütze, aus der ein kleiner Springbrunnen herausstrahlt", erläutert der Frankfurter Künstler.
Den Gully-Deckel, in den normalerweise das Regenwasser hineinläuft, hat Tur dazu mit einer Wasserpumpe versehen, so dass sich das Wasser staut und in einer kleinen Fontäne plätschert. Mit kleinen Mitteln könne so an einem unbeaufsichtigten, ungepflegten Ort etwas Schönes und Poetisches entstehen, sagt Tur.
Mit f.o.g. soll zukünftig ein Forum für junge, zeitgenössische Kultur in Darmstadt geschaffen werden, das Architekten, Stadtplaner und bildende Künstler - überregional und international - an einen Tisch bringt. "Wir hoffen auf Nachfolgeprojekte. Die Künstler sind eingeladen, an unseren Projekten teilzunehmen", sagt Sonja Müller, Kuratorin und TUD-Dozentin, "wir beraten aber auch gerne Leute, die eine Idee mitbringen."
Zu Vorträgen und Diskussion laden die f.o.g.-Macher ein für Dienstag, 2. November, 16 bis 20 Uhr. Mit dabei sind Soziologen, Stadtplaner, Künstler und Gäste aus der Wirtschaft. Am Freitag, 5. November, werden studentische Entwürfe zum "Funktionswandel öffentlicher Räume" präsentiert. Beginn: 11 Uhr. Beide Veranstaltungen sind an der TU Lichtwiese, El-Lissitzky-Straëe 1, Fachgruppe Stadt. www.osa-online.net/fog


KRÜGER


© Copyright Frankfurter Rundschau
Ausgabe: Regionalausgabe R5 (Nr. 255)
Datum: Montag, den 01. November 2004
Seite: 40