Darmstädter Echo: 12.07.08 [D]

Einlochen im alten Wasserbecken
Architektursommer: Triste Orte werden aufgepeppt: Studenten verwandeln den Theater-Vorplatz in eine Minigolfanlage


Nix wie rein: In der Georg-Büchner-Anlage werden Blumenkübel zu
Minigolfschikanen - ein Beitrag zum Architektursommer.

FOTO: ROMAN GRÖSSER

Konzentriert schwingt Architekturstudent Jochen Werner am Freitagnachmittag seinen Golfschläger. Nur eine Sekunde später rollt der kleine weiße Ball über eine alte Straßenrinne am Georg-Büchner-Platz vor dem Staatstheater Richtung Loch. Gemeinsam mit vier Studentinnen und einer Abiturientin hat Jochen den grauen Theater-Vorplatz in eine Cross-Minigolf-Anlage mit 15 Löchern umgestaltet. „Dieser Ort schien uns geradezu prädestiniert dafür, um Bälle abzuschlagen“, sagt er.

Im Rahmen des Darmstädter Architektursommers hat das Architektennetzwerk „Osa Office for Subversive Architecture“ zusammen mit dem Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung der Technischen Universität den zweiwöchigen Workshop „My Space“ veranstaltet, bei dem die rund 25 jungen Teilnehmer sich mit der Nutzung und Umgestaltung von öffentlichem Raum auseinandergesetzt haben.

„Die Idee bei unserem Workshop war, aus Orten, die scheinbar verlassen und trist sind, etwas herauszuholen“, erklärt Britta Eiermann vom Osa-Office. Oft müsse man zweimal hinschauen, um Nutzungsmöglichkeiten in bestimmten Räumen zu entdecken. „Mit unserem Projekt wollten wir gezielt Jüngere dafür sensibilisieren, welche öffentlichen Orte sie in welcher Weise nutzen“, sagt Oliver Langbein. Sie sollten der Frage nachgehen, wie man sie neben illegalen Aktionen – Sprayen – legal beleben könne.

Langbein und seine Kollegin Britta Eiermann blicken über den Georg-Büchner-Platz. „Eigentlich ist das hier ein Golfplatz“, sagt Langbein, „nur hat es noch keiner gemerkt“. Wenn man sich den Ort genauer ansieht, kann man Langbeins Meinung leicht teilen. Die leeren Wasserbecken mit den alten Abflussrohren eignen sich optimal, um eine kleine Runde mit dem Schläger zu spielen.

„Wir haben nicht mehr viel verändern müssen“, erzählt Studentin Andrea Müller. Nur einige Bretter und Fahnen haben die kreativen Köpfe mitgebracht. Aus alten und teils durchgebrochenen Abflussabdeckungen haben sie kleine Rampen gebastelt, die der weiße Ball überqueren muss.

Vor der Einrichtung des temporären Golfplatzes haben die Schüler und Studenten ein Brainstorming veranstaltet, bei dem verschiedene öffentliche Plätze gefunden wurden, die ihrer Meinung nach aufgepeppt werden könnten. „Wir wollen mit der Aktion zeigen, dass man mit minimalem Aufwand einen Ort neu definieren kann“, sagt Jochen Werner. Für die Gruppe sei es spannend zu beobachten, wie ihre Idee von Passanten aufgenommen wird. „Wir möchten ins Bewusstsein rufen, dass sich aus jedem tristen Ort etwas machen lässt.“

Für Abiturientin Ann-Kathrin Müller aus Bensheim ist der Workshop ein Vorgeschmack auf das kommende Architektur-Studium. „Das hat richtig viel Spaß gemacht und mich in meiner Studienwahl nur bestärkt“, sagt die Neunzehnjährige.

Wer den Georg-Büchner-Platz von einer anderen Seite kennen lernen möchte, kann noch heute (Samstag) von 12 bis 18 Uhr dort Bälle schlagen. Die Workshop-Teilnehmer werden außerdem einige einsame Bänke in der Innenstadt verschönern, beim Wort genommene Zebrastreifen in den Herrngarten zaubern und ab 13 Uhr auf dem Ludwigsplatz mit einer Handtuchaktion die deutsche Sitte des Reservierens durch den Kakao ziehen.
dari
12.7.2008