Stadtplanung – geht das noch?
TU-Architektur: Mittwochsvorträge, unter welchen Bedingungen sich heute unser Lebensumfeld gestalten lässt





Das Urban Entertainment Center in Frankfurt ist ein schönes Beispiel für fehlschlagende Stadtplanung. Auf dem riesigen Gelände des aufgelassenen Güterbahnhofs, weit westlich der City, sollte ein hochmodernes Vergnügungsviertel entstehen. Wie es aussieht, kommt es nicht dazu. Erst fehlten Geldgeber, und nun meldet sich die Ahnung, dass die hochfliegenden Pläne Frankfurt nichts Gutes beschert hätten.
Es gibt fehlgeschlagene Stadtplanung, an der man erkennen kann, wieso. Der Potsdamer Platz in Berlin zum Beispiel, ein Zentrum aus der Retorte, nicht weniger hochfahrend als das Urban Entertainment Center, geriet zu einer Art Ruhpolding mit Hochhäusern: Touristeninsel, Tunnel für Verkehr, bezuglos zur großstädtischen Umgebung. Beide Planungen stammen aus den hypertrophen neunziger Jahren, als die Aktienkurse so wild wuchsen wie gesellschaftliche und merkantile Phantasien. Die Räusche sind verflogen – aber wo steht die Stadtplanung heute, nach diesen desaströsen Anstrengungen (die, nebenbei, in kleinerer und unbeholfenerer Form, Darmstadt das Carree eingetragen haben)?

Dieser Frage gehen im Sommersemester die berühmten Mittwochabendvorträge an der Architekturfakultät der TU nach. Wie nonchalant lässt sich noch entwerfen? Oder muss vor allem repariert werden, was heute in den Städten steht? Erlaubt die Zukunft der Ökonomie überhaupt noch eine Zukunft der Planung?

Dazu wurden wieder kompetente Referenten eingeladen, deren Vorträge sich nicht nur an Studenten und die vielen in Darmstadt ansässigen Architekten richten, sondern an jedermann, den interessiert, unter welchen Bedingungen seine Lebensumwelt gestaltet wird. So spricht am Mittwoch (21.) Gerd Albers, früher mal Darmstädter Oberbaudirektor, über „Strukturordnung und Gestaltung im Städtebau“.

Am 28. April blicken Hille von Seggern und Timm Ohrt auf „30 Jahre Entwurf öffentlicher Räume“ zurück. Die Hamburger haben unter anderem den dortigen Rathausmarkt gestaltet. Am 5. Mai folgt Jens Scheller, Beigeordneter im Planungsverband (früher Umlandverband) Rhein-Main; er fragt nach dem „regionalpolitischen Vakuum“. Am 19. Mai spricht Thomas Dilger (Direktor der Nassauischen Heimstätte, früher Stadtbaurat von Wiesbaden) über „Rollenwechsel, Szenenwechsel, Paradigmenwechsel – 15 Jahre Stadtentwicklung in Rhein-Main“.

„Stadtumbau Ost – Work in Progress“ ist das Thema von Michael Bräuer aus Rostock am 26. Mai. Am 2. Juni ist Sigurd Trommer wieder da, rhetorischer Star des letztjährigen Kolloquiums in der Centralstation. Der Bonner erzählt erneut, wie gut seine Heimatstadt den Abzug der Bundesregierung verdaut hat. Trommers Leipziger Kollege, Stadtbaurat Engelbert Lütke-Daldrup, variiert das Thema am 9. Juni, freilich mit den ungleich dramatischeren Aspekten Ostdeutschlands: „Stadtentwicklung zwischen Wachstum und Schrumpfung“.

Darmstadts Archäologe Heiner Knell nennt seinen Vortag am 16. Juni schlicht: „Der Kaiser gibt den Römern eine Stadt“. Am 23. Juni präsentieren vier junge kreative Büros alternative Wege des Planens in Netzwerken: „Raumlabor“, „Ifau“, „Peanutz“ und „Osa“ Am 30. Juni erklärt der Hamburger Oberbaudirektor Jörn Walter, warum sich seine „Hafencity“ zumindest für die schön ausnimmt, die sich die neue Stadt leisten können, und am 7. Juli beendet Uwe Rada aus Berlin den Reigen mit „neuen Horizonten mittelosteuropäischer Stadtentwicklung – zwischen Börse und Basar“.

Alle Vorträge beginnen um 18 Uhr im großen Hörsaal der Architekturfakultät der Technischen Universität, El-Lissitzky-Straße 1, auf der Lichtwiese.


Klaus Honold
19.4.2004

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