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Die Stadt unter Strom
Videokunst: Darmstädter Architekturstudenten gehen mit eigenen Musikclips neue Wege – Preisverleihung und Präsentation am Freitag (14.)




DARMSTADT. Architekten entwerfen Häuser. Dazu fertigen sie Skizzen an und bauen hübsche bunte Modelle aus Plastik. Dann gehen sie regelmäßig auf die Baustelle und schauen, wie ihr Werk vorangeht. Das ist die schöne Geschichte vom Beruf des Architekten, die nicht mehr ganz stimmt. Wer heute Architektur studiert, muss damit rechnen, dass er am Ende etwas macht, was mit dem klassischen Berufsbild nichts zu tun hat. Er sollte flexibel sein, sich Nischen suchen und am besten in Netzwerken arbeiten.
Ein Netzwerk ist zum Beispiel Osa, das „office for subversive architecture“, Büro für subversive Architektur. Drei Darmstädter Studenten gründeten es als offene Arbeitsgemeinschaft, die inzwischen aus acht Architekten, Städtebauer und Künstlern besteht, die in Darmstadt, Berlin, Wien und London leben: Sebastian Appl, Ulrich Beckefeld, Britta Eiermann, Karsten Huneck, Oliver Langbein, Anja Ohliger, Anke Strittmatter, Bernd Trümpler. Osa nimmt gemeinsam Aufträge an, realisiert aber auch eigene künstlerische Projekte. Ein solches war vor drei Zahren die Installation „3ZKB“ in einer Darmstädter Fußgängerunterführung, eine öffentliche Dreizimmerwohnung in Schaukästen.

An die TU Darmstadt kehrte Osa in diesem Sommer zurück – mit einem Angebot an Studenten. Zusammen mit dem Frankfurter Musiker und Videokünstler Frank Rückert alias „üNN“ gab Osa am Fachbereich Architektur einen interdisziplinären Musik-Video-Workshop. 20 Studenten nahmen das Angebot an.

Überbegriff des Workshops war „Strom“ – elektrischer Strom, Verkehrsströme, Menschenströme, innere Strömungen. Die Teilnehmer sollten sich filmisch mit städtischen Phänomenen auseinandersetzen. Als Grundlage hatte sie elektronische Kompositionen von „üNN“. Dazu schrieben sie einzeln oder zu zweit ein Drehbuch, lernten die Arbeit mit Videokamera und Schnittprogramm. Wie bei der klassischen Tätigkeit von Architekten führte die Arbeit von der Idee über das experimentelle Entwickeln und Gestalten. „Die Besonderheit ist“, sagt Osa-Mitglied und TU-Angestellte Anke Strittmatter, „dass am Ende ein echtes Produkt steht und die Studenten nicht für den Mülleimer arbeiten.“

Die Ergebnisse sind durchaus sehenswert. Von der Wirkung der Stadt auf ihre Bewohner erzählen die Studenten, spielen mit Helligkeit und Dunkelheit, Traum und Realität. Frank Rückert spendet für die drei besten Videos ein Preisgeld von insgesamt 1000 Euro. Die Gewinner werden auf der Party zur „sichten“-Ausstellung am Freitag (14.) in der Centralstation bekannt gegeben. Die von einer Jury bewerteten acht bis zehn besten Ergebnisse des Workshops werden an jenem Abend gezeigt und gehen gleichzeitig unter dem Titel „Flowmotion“ im Hessischen Fernsehen auf Sendung. Dort laufen sie über mehrere Monate mehrmals pro Woche. Im Lebenslauf der angehenden Architekten macht sich das gut, und vielleicht finden sie mit diesem Weg ihre Nische.

Auf der „sichten sieben“-Party zur laufenden Jahresausstellung des Fachbereichs Architektur werden am Freitag (14.) ab 21 Uhr die besten Videoclips des Workshops präsentiert und die Gewinner ausgezeichnet. Frank Rückert alias „üNN“ zeigt Videos zur Musik, die der Frankfurter DJ „Stereofreund“ (Markus Pretnar) auflegt: Elektro, House und Break Beats zum Hören, Sehen und Tanzen. Die Ausstellung ist täglich von 12 bis 0 Uhr im Saal der Centralstation zu sehen. Sie schließt am Sonntag um 11 Uhr mit der Verleihung des Mengler-Preises.

Stephanie Vetter
12.11.2003