ACHIM SCHÜSSLER hat das Buch „Von unten / von oben“ im Darmstädter Archimed-Verlag herausgegeben. (Foto: Günther Jockel)

Architekten planen Wohnanlagen gerne mit Wasser. Aber dass Kinder den Drang verspüren, damit zu spielen, ist in ihren Entwürfen oft nicht vorgesehen. „Oft sind sie nur an Ästhetik interessiert“, sagt Achim Schüßler.

„Das gute Echo in der Fachpresse ist ihnen wichtiger als das, was die Bewohner über ihre Architektur denken.“ Schüßler weiß, wovon er spricht, denn er ist selber Architekt.

Der Darmstädter arbeitet seit 1975 in verschiedenen Projekten im In- und Ausland, seit 1995 übt er eine freie Tätigkeit als Planer, Gutachter und in der Forschung aus.

Seit Jahren beschäftigen ihn wie viele andere Kollegen die Rahmenbedingungen des Planens. Jeder, sagt er, beklagt die Zunahme von Bürokratie, die damit verbundenen Kosten, die Bürgerferne. Aber welche Alternativen könnte es für Architekten geben?

Im Kontakt mit Kollegen und Forschern aus den Disziplinen Soziologie und Politikwissenschaft entstand eine Sammlung von Studien, die sich mit dem Modell der Selbstregelung beschäftigten. Ein funktionierendes Gemeinwesen mit einem geringeren Aufwand an Bürokratie - wie lässt sich das realisieren?

Der Sammelband, der in anderthalbjähriger Diskussion entstanden ist, sucht Antworten sowohl in theoretischer als auch in praktischer Betrachtung, er beschreibt Erfahrungen aus dem direkten Umfeld und aus der internationalen Planung, er verbindet architektonische mit städtebaulichen Fragen.

Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf anschaulichen Beispielen: „Wir sind nicht theoriefeindlich, das Buch sollte aber an der Praxis gemessen werden“, sagt Schüßler.

So beschreibt Birgit Diesing etwa die Erfahrungen, die im Kranichsteiner Neubaugebiet K6 mit dem baugenossenschaftlichen Projekt „Wohnsinn“ gemacht wurden, dessen Teilnehmer nicht nur Wohn-, sondern auch sozialen Lebensraum entwickeln wollten.

Milton Montejano berichtet über die Entwicklung der mexikanischen Millionenstadt Ciudad Nezahualcóyotl, bei der die Selbstinitiative der Bewohner der schlichten Not entsprang, sich mit einfachen Mitteln die Lebensgrundlagen selbst zu schaffen.

Das auch in Darmstadt vertretene Büro für subversive Architektur (OSA) berichtet von seiner Arbeit, Beiträge befassen sich mit dem Möglichkeiten bürgerlicher Mitwirkung und dem Umgang mit Konflikten, der Herausgeber selbst wirbt für die Gestaltung von Lebensräumen, die Platz lassen für selbstverantwortliche Entscheidungen: „Eine solidarische Stadt lebt von der solidarischen und aktiven Teilnahme der Bürger und Bürgerinnen, denen man diese Freiheiten gestattet.“

Schüßler spricht von „demokratischer Architektur“, die nicht nur den Beifall der Fachwelt findet, sondern auch ihrer Benutzer. Und Selbstregelung, betont er, sei „mehr als nur Laufenlassen“. In diesem Sinne entstand auch das Buchprojekt – ohne öffentlichen Auftrag und als Initiative von Menschen, die Fragen aus ihrer Praxis einbrachten.

Das Ergebnis dürfte nicht nur Planern neue Perspektiven eröffnen, sondern auch jenen Menschen, die Planung täglich am eigenen Leib erfahren. Man könnte dieses Buchprojekt deuten als Versuch, den Menschen mit der Architektur zu versöhnen.

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