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'von
unten – von oben'
Lebensräume
zwischen Planung und Selbstregelung
Vorwort:
"Was sind schon Städte, gebaut ohne die Weisheit des Volkes?"
Einleitung:
Wo ist das Problem...? Absicht dieser Veröffentlichung
1. Darstellung
der Bandbreite
Selbstregelung ist da,
wo Planung (noch) nicht ist, - oder nicht ausreicht. Planung hingegen
ist bestrebt, Selbstregelung zu ersetzen oder überflüssig
zu machen.
Beide definieren sich gegenseitig auf komplementäre Weise.
Beide wollen der gemeinsamen Daseinsvorsorge dienen, individuelle
Lebensqualität sichern und konkrete Probleme lösen.
Aber: Planung und Selbstregelung stehen sich oft unverwandt gegenüber
und erzeugen - ökonomischen Gesetzen unterworfen - unterschiedliche
Wirklichkeiten.
Die Bandbreite reicht von Fällen mit wenig Planung und entsprechend
viel Selbstregelung bis zu Fällen mit viel Planung und entsprechend
wenig Anlass bzw. Raum für notwendige Selbstregelung. Das erste
Kapitel zeigt anhand zweier gegensätzlicher Beispiele, wie
Menschen darauf reagieren. Die Unterschiede könnten größer
kaum sein: Hoch entwickelte Ökonomie (relativer Reichtum),
perfekte Staatsorgane, Stagnation, viel Planung und eine kleine
Genossenschaft im einen Beispiel -, wenig entwickelte Ökonomie
(relative Armut), schwache Staatsorgane, Bevölkerungsexplosion,
wenig Planung und eine Millionenstadt im zweiten. Die Motive für
Selbstregelung sind jeweils ebenso gegensätzlich: Gehorcht
sie dort der blanken Not großer Bevölkerungsteile, antwortet
sie hier in Form individueller Initiativen und als Folge gestiegener
Kontingenz - mehr oder weniger freiwillig - auf andere gesellschaftliche
Defizite.
1.1 Milton Montejano,
Selbstregelung folgt einem Bedürfnis angesichts äußerer
Not, ihr Schwung lässt mit zunehmender Konsolidierung nach
Ciudad Nezahualcóyotl - Selbstgebaute Millionenstadt in Mexiko
Am Anfang
ist informelle, auch illegale Partizipation in ärmeren Ländern
eine Notwendigkeit, um ohne Geld und mit einfachen Mitteln die wichtigsten
Lebensgrundlagen selbst zu schaffen: Landnahme, Selbstbau, Arbeitssuche
in der Großstadt. Zusammen mit traditionellen Lebensformen,
Religion und Großfamilie sichern sie das Überleben und
schaffen einen Rahmen, der zum Fundament einer neuen Stadt wird.
Mit zunehmender 'Normalisierung' lassen Spontaneität und sozialer
Elan nach. Die Stadtplanung macht sich die strukturellen Prinzipien
der spontanen Urbanisierung zu eigen, nach dem Motto: 'So bauen
wir unsere Städte'.
War dieser Prozess bei den meisten europäischen Städten
nicht ähnlich?
1.2 Birgit Diesing
Selbstregelung macht Freude, aber auch viel Arbeit
- 'Wohnsinn' - Privat initiierte Baugenossenschaft mit dem sozialen
und ökologischen Anspruch von Selbstorganisation
Auf der anderen Seite
zeigen sich in formell entwickelten Industriestaaten neue Ungleichheiten,
Mängel und Bedürfnisse, verursacht z.B. durch Zukunftsangst,
Vereinsamung, Überalterung und soziale Verantwortungslosigkeit.
Hier kommen über kurzfristige materielle Absicherung bzw. 'Interessenwahrung'
hinausgehende Aspekte von Lebensqualität zur Geltung, wie Selbstbestimmung,
gemeinschaftliche Einflussnahme und soziale Verantwortung. Neue,
freiwillig gewählte Lebensformen suchen sich einen Ort: Immer
mehr Wohngenossenschaften entwickeln sich als erfolgreiche Eigeninitiative.
Hier werden neue Herausforderungen einer gemeinsam für richtig
befundenen Lebensweise angenommen, welche jedoch auch neue Mühen
mit sich bringt ...
2. Gesetzlicher Rahmen, Möglichkeiten und Grenzen
Überleitung: Gesetzlicher
Auftrag des Planers
Wahrscheinlich um sich vor chaotischen, undurchsichtigen und gesetzwidrigen
Zuständen zu schützen, haben sich die europäischen
Länder im Lauf der letzten Jahrhunderte ein ausgefeiltes und
aufwendiges Planungsinstrumentarium zugelegt, das die Entwicklung
der Landesteile zum Zweck der Daseinsvorsorge bei begrenzten Flächen-
und Naturressourcen in geordnete Bahnen lenken soll. In Deutschland
geschieht dies auf der Grundlage des Baugesetzbuches (BauGB, in
seiner jeweils aktuellsten Fassung). Es bestimmt den Auftrag der
Bauleitplanung und somit auch den Auftrag jedes Planers.
Die Aufgabe von Stadtplaner/innen ist es, die "bauliche und
sonstige Nutzung der Grundstücke in den Gemeinden nach Maßgabe
dieses Gesetzbuches vorzubereiten und zu leiten". Das BauGB
verpflichtet die Planer maßgeblich, die Gesundheit und Sicherheit
der "Wohn- und Arbeitsbevölkerung" zu fördern,
die "Wohnbedürfnisse", aber auch die "sozialen
und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung", ebenso
wie die "Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes",
Denkmalschutz, Gottesdienst, Natur- und Umweltschutz sowie die "Belange
der Wirtschaft" zu berücksichtigen.
Die widersprüchlichen Gehalte des gesetzlichen Auftrags an
die Planung erzeugen eine gemischte Akzeptanz bei der Bevölkerung,
die sich bisweilen planungskritisch organisiert. Auch das hat der
Gesetzgeber erfasst. Er fordert eine "Beteiligung der Bürger",
damit Planung demokratisch zugeht. "Die Bürger sind möglichst
frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung...
zu unterrichten..."
Wie erfolgreich der durch unzählige weitere Verordnungen und
Erlasse gefütterte Apparat der heimischen Bürokratie bei
der Erfüllung seines Auftrags tatsächlich sein kann, soll
in den Beiträgen des folgenden Kapitels zur Sprache kommen.
2.1 Ilse Erzigkeit,
"Die Bürger sind frühzeitig über die Ziele der
Planung zu unterrichten..." im Planungsrecht vorgesehene Möglichkeiten
von Mitwirkung und Konfliktlösung, - Beispiele erfolgreicher
Mediation
Dirigistische Planung,
welche von zentraler Stelle aus alle Angelegenheit bis in den letzten
Winkel steuern könnte, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Im Gegenteil,
neben seinem ohnehin widerspruchsvollem Auftrag muss der Planer
Einsprüche berücksichtigen und vorgeschriebene Verfahren
von Bürgerbeteiligung beachten. Zwangsläufig treten dabei
immer wieder Interessenkonflikte mit betroffenen Gruppen auf. Bürger
machen von ihren demokratischen Rechten Gebrauch und gehen auf die
Straße. In den dargestellten Fallbeispielen können aufwändige
planerische und rechtliche Verfahren durch rechtzeitig Mediation
vermieden oder verkürzt werden.
2.2 Björn
Egner, Georgios Terizakis,
Es gibt einen Weg zwischen zentraler Steuerung und gesellschaftlicher
Selbstregelung - Demokratische Spielregeln und Potenziale aus dem
Blickwinkel der Politikwissenschaft
Moderne Gesellschaften funktionieren nicht mehr in hierarchischen
Entscheidungsmustern. Politische Steuerung wird zunehmend problematisch,
obwohl der gesetzgeberische Apparat immer aufwändiger und undurchsichtiger
wird. Viele Probleme müssen durch Verhandlungen gelöst
werden, in denen die Akteure ihre jeweiligen 'Ressourcen' einsetzen.
Andererseits ergänzen gesellschaftliche Gruppen als Netzwerk
„von unten“ die Policy-Netze der politischen Steuerung
und bringen den Modus der Argumentation in die politische Steuerung
ein. Im Fallbeispiel Otzberg werden politische Spielregeln und Potenziale
erprobt und überprüft. Im Bild: Die Veste Otzberg.
2.3 Eckehard Janofske,
Spielräume für selbstverantwortliches Handeln –
oder die Neuinterpretation des Blocks - dargestellt am Beispiel
der Südstadt Tübingen
Nur zu oft werden für
misslungene städtebauliche Projekte der enge gesetzliche Rahmen,
die strengen Planungsrichtlinien und ökonomische Zwänge
verantwortlich gemacht. Stadt ist aber nicht nur ein planungstechnisches
Produkt, sondern auch, und insbesondere eine andauernde gemeinsame
Geschichte. Wie heute mit etwas Mut und Phantasie – vor allem
aber mit einem klaren, 'geschichtlichen' Verständnis städtischer
Strukturen - moderner Städtebau verwirklicht werden kann, der
Selbstbestimmung berücksichtigt, zeigt das folgende Beispiel.
3. Mitwirkung, Mitbestimmung und soziale Selbstbestimmung
Überleitung: Positionsbestimmung
Kritische Stimmen bemängeln inzwischen, dass die Südstadt
in Tübingen sich an einer überholten (Alt-)Stadtvorstellung
orientiert, oder dass sie das avantgardistische Projekt eines liberal-bürgerlichen
Milieus mit ausgeprägt subjektiver Lebenseinstellung sei, oder
dass sie 'sozial integrierte Gemeinschaften' ausschließe,
d.h., dass ihre als Anspruch proklamierte Offenheit und 'soziale
Vielfalt' selbst sozial exklusiv wirke. Diese Kritik ist zu prüfen,
- man sollte jedoch vorher die Positionen klären:
Es gibt eine europäische Variante von Selbstregelung, die mit
Deregulierung oder New Urbanism nichts gemein hat. Es ist die Selbstregelung
einer lokalisierbaren städtischen Sphäre, die als öffentlicher
Bewegungsraum und gemeinsames 'Wohnzimmer' allen überall und
immer offen steht: Eintritt frei. Auf nichts anderes als diese erlebte
Geschichte beziehen sich 'Mythos Altstadt' oder die vermeintliche
'Lüge von der gewachsenen Stadt'.
Natürlich war auch die mittelalterliche Stadt eine 'gated community',
doch ihre Grenzen provozierten immer wieder unterdrückten Geist,
scharfen Widerspruch und unbestechlichen Gerechtigkeitssinn, - eine
Tradition, die sich seit der Polis als 'ungeschriebenes Gesetz'
(agraphos nomos) in Europa herumtrieb.
Und natürlich gab es Ghettos, wo Öffentlichkeit nicht
vorkam, wo 'sozial integrierte Gemeinschaften' im eigenen Saft schmorten
und ein Fremder nicht willkommen war, weil die Bewohner Parias waren,
- außerhalb des Ghettos nicht erwünscht. Doch schrumpfte
auch diese Unbill, solange gleiche Teilnahme und Mitgliedschaft
an der Stadt erkämpft wurden.
Heutige Ghettos (wo man besser nicht hin geht) und 'gated communities'
(wo man nicht hin darf), vernichten öffentlichen Raum, indem
sie der Zeit vorauseilen. Auch in den 'locations' der Mediengesellschaft
hat Selbstregelung als öffentliches Ereignis keinen Platz.
Gerade jene 'alten', unbeweglichen und sozialen Räume sind
jedoch für Architekten und Bewohner umso bedeutsamer, weil
sie Beziehungen zu einem Ort ermöglichen, welche Geschichten
hervorbringen und so etwas wie Heimat bezeichnen.
3.1 Kosta Mathey,
Außer Rand und Band – oder: Das Chaos zur Tugend erklärt
- über den Mythos der selbstgesteuerten Stadtentwicklung in
der Dritten Welt
Vorsicht vor Vereinfachung
und falscher Idealisierung! Chaotische Verhältnisse, die informelle
Mitwirkung und Selbstbestimmung vermuten lassen, sind in den Ländern
der Dritten Welt in erster Linie Ausdruck sozialer Ausgrenzung der
Armen und somit auch Folge städtebaulicher Versäumnisse:
Sie fördern die Rechte der Stärkeren. Anbetracht der tatsächlichen
Probleme kann sinnvolle Planung nicht in Frage gestellt werden.
Andererseits muss sie, allein aus quantitativen Gründen, mit
Verstand, Geschick und Einfühlungsvermögen bewährte
Strukturen von Selbstregelung einbinden und Mitbestimmung ermöglichen.
Hierfür ist gezielte Ausbildung, aber auch ein neues Berufsbild
der 'PlanerInnen' unabdingbare Voraussetzung.
3.2 Cornelia Becker, Jaqui Dopfer,
Bürgerbeteiligung, alles nur Gerede?
- Erste Ergebnisse und Vorschläge aus der Praxis für eine
effektive Partizipation am Verwaltungshandeln unter Anwendung neuer
Medien, Beispiel Viernheim
Digitalisierung erfasst
zunehmend alle Lebensbereiche: Aus der menschlichen Kommunikation
ist elektronische Datenübertragung nicht mehr wegzudenken.
Dezentrale Organisationsformen werden durch die Nutzung des Internet
wesentlich unterstützt. Im kommunalen Informationsaustausch
ist diese Nutzung jedoch noch unterentwickelt; Bürgerbeteiligung
läuft kaum über diese Schiene. Wie neue Medien die demokratische
Basis erweitern, kontroverse Diskussionen ermöglichen und damit
zum Forum sozialer Selbstbestimmung werden können, wird in
diesem Beitrag kritisch aufgezeigt, - ohne die damit verbundenen
Risiken auszuklammern.
3.3 Michael Wilkens,
Rhythm is it! Planen und Bauen nach Indio-Art
Beispiele für soziale Selbstbestimmung – Erfahrungen
aus 30 Jahren Planungspraxis
Schon in den sechziger Jahren waren Mitwirkung der Bewohner und
Berücksichtigung ihrer wirklichen Bedürfnisse in der Planung
ein Thema, um die Neubauquartiere der Städte bewohnbarer zu
machen. Gefordert wurde eine demokratische Stadtplanung. Die Planerperspektive
'von oben' sollte ergänzt werden durch die Froschperspektive
der Stadtbenutzer. Viele fortschrittliche Ansätze einer nutzungsoffeneren
und selbstbestimmten Architektur sind jedoch durch Starkult und
Postmoderne verdrängt worden. Die Erfahrungen mit realisierten
Projekten erlauben indes eine kritische Bestandsaufnahme und fordern
zu einer Neuaufnahme des als richtig erkannten Ansatzes auf, - mit
vielen unentdeckten Möglichkeiten und Perspektiven.
4. Verschiedene Strategien
Überleitung: Anekdote
der 'Selbstentknotung'
"Das Verknotungsspiel hat meinen Workshop-Teilnehmern immer
wieder Spaß bereitet, in Afrika, Asien und vor allem in Lateinamerika.
Das Verknotungsspiel stellt symbolisch dar, was Selbstregelung bedeuten
kann.
Das Verfahren und die Regeln sind sehr einfach: Die Teilnehmer (ca.
15-30 ist eine gute Zahl) bilden einen Kreis und fassen sich an
den Händen. Vorher wird einer allerdings ausgesondert, der
nicht Teil des Kreises sein darf, am besten einer, der sich für
besonders klug hält. Er oder sie wird der Anleiter. Die im
Kreis stehenden Teilnehmer werden angehalten, sich möglichst
kompliziert zu „verknoten“, ohne die Hände des
Nachbarn los zu lassen. Sie müssen sich unter den Armen der
anderen drunter schieben, dürfen sich drehen, die Arme verkreuzen,
aber immer am anderen fest halten. Wenn sie sich für verknotet
genug halten, darf sie der ausgesonderte Anleiter durch Wortbefehle
entknoten, er darf sie dabei aber nicht berühren. In Lateinamerika
heißt Knoten nudo und für entknoten verwende ich das
in diesem Zusammenhang nicht übliche Wort desnudar, was gleichzeitig
entblößen heißt. Besonders bei Männern ruft
dieses Wortspiel immer wieder Lacher hervor. Das „Entknoten“
nach Anweisung dauert üblicherweise ca. 2-5 Minuten –
je nach Kompliziertheit des Knotens und je nach Geschicklichkeit
(und eventuell auch Wortgewandtheit) des Anweisers. Danach dürfen
sich die Teilnehmer abermals „verknoten“, wenn möglich
noch komplizierter. Doch das „Entknoten“ sollen sie
hinterher selber bewerkstelligen, ohne Anweisung von außen
und natürlich ohne sich loszulassen. Der Anweiser wird sozusagen
entmachtet. Und was passiert? Das selbst geregelte Entknoten dauert
10 - 15 Sekunden. Eine wunderbare Anknüpfung für weitere
Diskussionen und für das Infragestellen des von oben geregelten
Handelns! Das Verknotungsspiel insgesamt ist natürlich eine
wunderbare Grundlage für weiteres Kennenlernen und Kommunikation.
Gezwungenermaßen verschafft es Nähe." (Joanna Kotowski)
4.1 osa – office for subversive architecture, Oliver
Langbein
Subversive Architektur - Beispiele
Könnte 'Selbstentknotung' etwa als Strategie aufgefasst werden?
Dieser Beitrag transzendiert Gewohnheiten und Tabus, reflektiert
die eigene Situation und zeigt architektonische Experimente, - als
verblüffende, aber echte Alternativen, Raum zu lesen und zu
benutzen: Sie verdeutlichen Chancen, erweitern das Reich der Möglichkeiten
und ermuntern zu gegenseitiger Inspiration. Nicht zuletzt zeigt
die Stärke des Kollektivs einen Weg, mit der Obrigkeit und
den Medien umzugehen, ohne seine Identität zu verkaufen: Gemeinsam
kann man deren Starkult benutzen und ironisieren, um sich dagegen
zu wappnen, selbst benutzt zu werden.
4.2 Joanna Kotowski,
Wege aus der selbstgeregelten Marginalisierung
- informelles Wohnen und Stadtteilsanierung in San Salvador
Wie können 'illegale' Wellblechsiedlungen saniert werden? Wie
kann man zu Kriminalität neigende Randgruppen aus der Sackgasse
befreien? Wie wird aus Eigensinn Gemeinsinn? In einem geduldigen
Prozess können selbstregelnde Energien aufgegriffen werden:
Kooperative Sanierungsmaßnahmen wirken gemeinschaftsbildend.
Hier ist nicht so sehr Differenzierung, sondern vielmehr Integrierung
gefragt. Im engen Kontakt mit den Bewohnern gibt Planung dafür
Orientierungshilfen und räumt Hindernisse auf dem Weg zu 'städtischer
Normalität' aus dem Weg.
4.3 Hermann Sträb,
Entmündigung durch staatliche Fürsorge: der mühsame
Weg zu eigenverantwortlichem Handeln - über den Zusammenhang
von Nutzung und Eigentum bei der Rehabilitierung algerischer Großwohnsiedlungen
Dass Marginalisierung
keine Frage der Bauformen ist, zeigt das folgende Beispiel: Nach
sozialistischen Prinzipien in Algerien 'für das Volk' geplante,
moderne Großsiedlungen sind innerhalb weniger Jahrzehnte verwahrlost
und zu slumartigen Problemgebieten geworden. Die überfällige
Stadtreparatur kann sich hier nicht auf die Oberfläche beschränken,
sondern muss in den Wohnvierteln den zerrissenen Faden sozialer
Verantwortung neu aufnehmen, - u.a. durch eine tiefergreifende Reform
der Eigentumsstruktur und die Schaffung überschaubarer Nachbarschaften.
4.4 Achim Schüßler,
"Selbstregelung ist nicht alles – aber ohne Selbstregelung
ist alles nichts" - Strategien und alltägliche Taktiken,
Beispiele
Bauformen und Eigentumsstrukturen, Nutzung und Bedeutung des Raums
prägen die Menschen, die in sie hineingeboren werden, sich
in ihnen bewegen und aufhalten. Lebensräume, welche diesen
Namen verdienen, können sich entwickeln, wenn für eigenes
Leben und selbstverantwortliche Entscheidungen Platz gelassen wird.
Im alltäglichen Zusammenleben werden daraus soziale Räume.
Eine soziale Stadt lebt von der solidarischen und aktiven Teilnahme
der Bürger und Bürgerinnen, denen man diese Freiheiten
gestattet.
5. Zusammenfassung
der Erkenntnisse
Das Thema Planung und
Selbstregelung widersetzt sich einer methodischen Systematisierung.
Eine Anleitung oder Richtschnur für selbstgeregelte Projekte
wäre in gewisser Weise paradox. Die Nutzung von Spielräumen
kann nicht verordnet werden. Ebenso wenig lässt sich das Feld
aller möglichen Aspekte und Anwendungen von Planung und Selbstregelung
definitiv abstecken oder systematisch gliedern. Alle dargestellten
Beispiele und Beiträge verdeutlichen die überraschende
Vielfalt jeweiliger Möglichkeiten, die im Einzelfall erkannt
und auf besondere Weise genutzt werden müssen. Eine verbale
Fixierung abstrakter Erkenntnisse ohne diese anschaulichen Fallbeispiele
wäre wertlos.
Die auf den besonderen Einzelfall bezogene Aufmerksamkeit ist aber
z.B. schon eine Erkenntnis, die festgehalten werden kann. Darüber
hinaus gibt es weitere Erkenntnisse, die sich hier und da wiederholen
und wie ein roter Faden durch die Beiträge ziehen, mit jeweils
unterschiedlicher Wichtung. In Form einer Stoffsammlung werden sie
nun hier zusammengefasst und beziehen sich auf die gemeinsame Ausgangsposition,
auf die festgestellten Probleme, benennen Thesen zur Selbstregelung
und entsprechende Konsequenzen für die Planung.
Darüber hinaus zum Schluss der Versuch eines Fazits - ohne
Anspruch auf Vollständigkeit - , in dem neun wichtige und zusammenhängende
Fixpunkte für zukünftiges Planungshandeln der Reihe nach
genannt werden.
- Ausgangsposition, Thesen,
Konsequenzen für die Planung
- Fazit: Ausblick in neun Punkten
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